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Polizisten in Ostsachsen am häufigsten krank

Polizisten in Ostsachsen am häufigsten krank

Nach Ansicht der Gewerkschaften sorgt die Grenzkriminalität für zusätzliche Arbeitsbelastungen bei den Beamten, die zu den Spitzenreitern in der Statistik krankheitsbedingter Fehltage der Polizeidirektionen in Sachsen zählt. | Foto: Archiv

Landkreis Bautzen/Landkreis Görlitz. Die Polizei in Sachsen hat mit einer fast unglaublichen Krankheitsquote zu kämpfen. Nach Angaben des Innenministeriums kommen 1.000 der 11.000 Beamten nicht zum Dienst – und das täglich. Die Polizeidirektion Görlitz liegt mit ihren Zahlen neben Leipzig an der Spitze dieser bedrückenden Statistik.

Von offizieller Seite wird das Problem heruntergespielt. Thomas Knaup, Sprecher der für das Gebiet der Landkreise Bautzen und Görlitz zuständigen Polizeidirektion: "Grundsätzlich werden wie alle Menschen selbstverständlich auch Polizeibeamte und Angestellte der Polizeidirektion Görlitz krank. Die Ursachen dafür sind vermutlich vielfältig. Wie bei jedem anderen Arbeitgeber auch erhält der Dienstherr aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nur Kenntnis davon, dass jemand erkrankt ist, nicht aber warum." Dementsprechend seien keine Rückschlüsse auf die Ursachen möglich. Im Hinblick auf datenschutzrechtliche, polizeiinterne und dienstliche Belange könnten Fragen zum Krankenstand in der PD Görlitz "leider nicht beantwortet werden."

Bei der Gewerkschaft der Polizei Sachsen (GdP) und dem Landesverband Sachsen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) im Deutschen Beamtenbund ist man da schon deutlich auskunftsfreudiger. GdP-Landesvorsitzender Hagen Husgen: "Der Krankenstand in der PD Görlitz liegt bei 29 Krankheitstagen bei den bis 51-Jährigen und 48 Tagen bei den über 51-Jährigen – beides sind Spitzenwerte in Sachsen. Im Durchschnitt sind die Krankheitstage der Polizisten im Freistaat in den letzten zehn Jahren um acht Tage gestiegen." Nach Auskunft von Reinhard Gärtner, dem DPolG-Landespressesprecher, sind besonders die Streifenpolizisten häufig von Krankheiten betroffen, weil sie oft "für zwei oder drei Polizisten arbeiten müssen, da einzelne Bereiche unterbesetzt sind."

Ein verschärfender Fakt komme noch hinzu: Seit Januar müssen Streifenpolizisten das neue Gebäude der Polizeidirektion Görlitz in der Conrad-Schiedt-Straße 2 bewachen, da man offenbar die Ausschreibung für einen privaten Wachdienst versäumt hat, was erst jetzt nachgeholt wurde. "Das greift natürlich die Reserven an", begründet Gärtner. Bei der Bereitschaftspolizei seien hingegen viele jüngere Beamte beschäftigt, "die halten noch stärkere Belastungen aus."

Warum der Krankenstand vor allem in der Polizeidirektion Görlitz so hoch ist, lässt sich nach Ansicht von Hagen Husgen nicht genau feststellen. "Die Belastung gerade im grenznahen Raum könnte eine Rolle spielen und damit die Unzufriedenheit, für die Bürger trotz Engagement nicht genügend machen zu können, weil die sächsische Politik immer mehr spart." Ein Indiz für hohe Krankenstände könne aber auch der Altersdurchschnitt sein, der in der PD Görlitz höher sei als beispielsweise in Dresden oder Leipzig.

Husgen vermutet, dass nicht nur Schnupfen und Heiserkeit Gründe für das Fernbleiben sind, sondern vor allem die dienstliche Überlastung aufgrund des Personalmangels. "Der Körper nimmt sich einfach die notwendige Auszeit, wenn der Dienstherr nicht für Entlastung sorgt. Aber auch die Motivation ist nicht die beste, da die Staatsregierung immer mehr an den Beamten spart." So seien Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen worden. "Keinerlei Anerkennung zu finden, tut weh!"Auch Reinhard Gärtner findet plausible Erklärungen für die krankheitsbedingte Spitzenstellung der hiesigen Polizeidirektion. "Der Bereich Görlitz besitzt die größten Flächenreviere in Sachsen, was eine Folge der Einsparpolitik ist. Die Anfahrtswege sind sehr lang, das geht mit der Zeit an die Substanz. Sind sie dann endlich angekommen, bekommen die Beamten den Frust der schon lange wartenden Bürger zu spüren. Zudem arbeiten in der PD Görlitz viele auswärtig wohnende KollegInnen, die von ihrem Heimatwohnort zur Verstärkung der Polizeipräsenz in den grenznahen Raum versetzt wurden." Es sei natürlich nervig, ständig von den Familienangehörigen getrennt zu sein. Damit aber nicht genug: "In der Nähe zu Polen ist eine erhöhte Kriminalität zu verzeichnen.

Das  spüren die Polizeibeamten einmal in der Verfolgung und zum anderen im Kontakt mit den Opfern." Das Innenministerium habe die hohen Zahlen mit höheren physischen und psychischen Belastungen – zum Beispiel bei der Schichtarbeit, im Zusammenhang mit Unfallaufnahmen oder Konfrontationen mit der Aufklärung von Verbrechen – und der erhöhten dienstlichen Gefährdungslage erklärt. Wenn dann von verantwortlichen Politikern erklärt werde, die Kriminalität gehe zurück und man brauche nicht mehr so viel Polizisten, gehe das munter an der Realität vorbei. "Die physischen und psychischen Grenzen sind überschritten. Da wird man natürlich krank – und nicht nur ein paar Tage, sondern über längere Zeiträume. Noch erschwerender wirkt sich die hoffnungslose Überalterung der Beamten aus. Das bedeutet wiederum Mehrarbeit für die noch gesunden Polizisten. Insgesamt ist das ein Teufelskreis." Nach Gärtners Erkenntnissen sind ein Drittel der Erkrankungen psychischer Natur.

Ein Ende der Misere sehen die beiden Gewerkschafter nicht – im Gegenteil. Hagen Husgen: "Die Konsequenz für den Bürger sind längere Wartezeiten, gestiegene Kriminalität, sinkende Aufklärung. Priorität bei den Einsätzen hat natürlich die schwere Kriminalität." Nur ein Stopp des Personalabbaus und die Erhöhung des Einstellungskorridors würde etwas bewirken, ergänzt Reinhard Gärtner.           
 

Frank-Uwe Michel / 14.03.2015

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